30. Juni | 2016
Jetzt habe ich hier lange nichts mehr berichtet – vielleicht auch deshalb, weil ich es endlich geschafft habe, mal ein bißchen zu entspannen. Natürlich war ich nicht frei von selbstgemachtem „Druck“, daß hier irgendetwas furchtbar großartiges passieren muss und ich mit wahnsinnig tollen, neuen Ideen nach Hause kommen muss. Ich hatte mir eigenen Ton aus Deutschland mitgebracht – einen völlig anderen, viel gröberen, als ich ihn sonst benutze – mit dem Vorsatz, mal etwas „gröber“ zu arbeiten. Das ist mir nur in Teilen gelungen.
Inzwischen habe ich aber schon einen 2. Ofen gebrannt, allerdings werde ich die Stücke erst zu Hause glasieren und fertigstellen.
Mittsommer ist hier ein ganz besonderes Fest. Alle sind sehr aufgewühlt und in absoluter Feier-Laune. Allerdings ist es wohl auch so, daß in der Juhannus-Nacht um die 20 Menschen sterben – durch Unfälle im volltrunkenen Zustand. Jemand erzählte mir, daß man vorher Wetten abgeben kann, wieviele es in diesem Jahr wohl sein werden (typisch finnischer, schwarzer Humor). Hier waren ein paar größere Partys in der Nähe, aber ich wurde eingeladen von Sofia und hatte eine tolle 8-Mann-Party mit Menschen, die ich noch nicht lange kenne, die mir aber schon ans Herz gewachsen sind.
Sofia war es auch, die vor 2 Tagen spontan die Idee hatte, auf dem kleinen Markt, der hier täglich stattfindet, ihre selbstgenähten „Klamotten“ zu verkaufen. Sie hat kurzentschlossen ihren Anhänger beladen und einen improvisierten Marktstand aufgebaut:
Ich habe sie auf dem Markt besucht und sie hat mir angeboten, daß ich doch ein paar Stücke bringen soll, die sie für mich mit-verkaufen würde. Total nett! Gesagt-Getan:
Es hat sich sogar ein bißchen was verkaufen lassen.
Letzte Woche habe ich allen, die interessiert waren, meine Arbeit in der hiesigen Bar vorgestellt. Ich hatte eine Diashow vorbereitet und außerdem gab es einen Vortrag von Giorgio Rinaldi, einem italienischen Maler, der unweit von hier auch ein „artist in residence“ ist. Erst hatten wir befürchtet, daß nur die Damen vom Knitting-club anwesend sind, aber dann kamen doch einige und es war ein netter Abend und ein angenehmer Austausch über unsere Tätigkeiten. Und der Knitting-club hat an diesem Abend die 2. Decke für die Bar fertiggestellt:
Heute ist schon der letzte Tag meines Aufenthaltes, morgen reise ich schon wieder ab. Gestern hat Anna extra für mich eine Abschieds-Party organisiert. Alle haben etwas tolles zu Essen mitgebracht und es war ein herrlicher Abend.
So etwas kommt dabei heraus, wenn Künstler zusammentreffen – sämtliche, anfallenden Materialien wurden sofort weiterverarbeitet…(es kamen noch einige Stühle dazu).
Jetzt beginne ich, hier aufzuräumen und alles wieder zusammenzupacken
und morgen mache ich mich dann auf den Heimweg:
Köln – ich komme!
21. Juni | 2016
Heute ist Mittsommer. Dieses Fest (hier Juhannus genannt) wird aber erst am kommenden Samstag gefeiert. Ich bin gespannt und werde berichten!
Ich war heute ein bißchen wandern mit Anna – eine große Runde um das Dorf. Deshalb heute wenig Text und viel Natur:
Das sind bzw. werden alles Blaubeeren da am Waldboden!
Ich war ganz stolz, daß das wilde Tier so schön stillgehalten hat, obwohl ich im Wald so nah dran war. Während ich die Bilder hier hochlade spazierte dann eben so ein Exemplar an meiner Haustür vorbei. Okay – wohl nicht wirklich wild!
19. Juni | 2016
Ein weit verbreitetes Klischee: Die Finnen sind sehr verschlossen und schweigsam. Dies kann ich hier nur ein kleines bißchen erahnen. Auf einem Live-Konzert – in der örtlichen Bar neulich – war ich ich anfangs sehr überrascht von der verhaltenen Stimmung im Raum. Es dauerte ein bißchen, aber nach und nach lockerte sich die Atmosphäre auf und auch die Gesichter der Gäste.
Aber jeder von all den freundlichen Menschen, die ich bisher hier kennengelernt habe ( und das sind inzwischen recht viele) versichert mir sowieso: „Fiskars ist eine absolute Ausnahme und nicht typisch finnisch.“ Das glaube ich sofort! Die Zahl der hier sesshaft gewordenen Künstler wächst stetig an, aber auch daneben gibt es eine Reihe von Individualisten, die die freundliche Atmosphäre des Dorfes geniessen und sich in irgendeiner Form in die Strukturen einbringen.
Im Laufe der letzten Woche wurde ich von allen möglichen Leuten auf eine Party eingeladen (es war ein 40. Geburtstag) und obwohl ich die Gastgeberin gar nicht kannte bin ich hingegangen und war herzlich willkommen. Zuerst konnte man – angeleitet von einem professionellen Tanzlehrer – erste Tangoschritte erlernen, danach gab es ein „offenes Mikrofon“. Es gab einige, schöne und auch schräge Musikbeiträge und im Anschluss wurde wild getanzt. Und folgendes Klischee kann ich absolut bestätigen: „Die Finnen trinken unglaublich gerne und viel!“
Und um die Frage zu beantworten, die ich am häufigsten gestellt bekomme, weil das natürlich jeder mit Finnland verbindet: Ja, ich war schon in der Sauna! Hier gibt es eine öffentliche Dorfsauna, die in Eigeninitiative direkt am See gebaut wurde und die an den Wochenenden zu bestimmten Zeiten angeheitzt wird.
Ordentlich schwitzen und dann in den kalten See – das war heute genau das Richtige, nach der wilden Party am Wochenende.
Auf dem Weg von der Sauna zurück kam ich am Haus von Karin Widnäs vorbei. Sie ist die Grande Dame der finnischen Keramikszene. Ihr Haus liegt etwas vom Kern des Dorfes entfernt auf einer Anhöhe und fällt durch seine moderne Architektur auf. Auf dem Grundstück daneben plant sie, ein Museum für zeitgenössische Keramik zu errichten. Eigentlich sieht es in ihrem Haus schon aus wie in einem Museum. Sie erlaubte mir einen Blick in die Ausstellung mit internationalen Keramikkünstlern, die sie eigentlich erst im Juli eröffnet.
Eine Arbeit von Kim (aus meinem letzten Beitrag)
Leider konnte ich nicht mehr Bilder machen.
Auch die Arbeit von Karin selber ist absolut spannend. Von kleinen, gut durchdachten Design-Produkten bis hin zu großen Wandgestaltungen und Skulpturen hat sie einiges zu bieten:
…und Stechmücken habe ich bisher übrigens genau 2 getroffen ( und hätte somit eine unangebrochene Flasche Anti-Brumm abzugeben).
14. Juni | 2016
Gestern nachmittag durfte ich die Werkstatt von Kim Simonsson besuchen. Das ist echt ein „verrückter“ Typ – ein absolut genialer Bildhauer, total sympathisch und auf dem Boden geblieben, obwohl er hier und auch über Finnland hinaus echt berühmt ist.
Er hat ein Atelier in Helsinki – in den Räumlichkeiten der Fabrik der Firma Arabia. Diese hatte ich im letzten Jahr besichtigt und erfahre in diesem Jahr, daß sämtliche Herstellungsprozesse nach Thailand (oder sonstwohin) verlagert werden. Seit 1873 wurde hier Geschirr hergestellt! 10 Künstler haben in dieser Fabrik sehr günstige Werkstätten, was nicht zuletzt auch immer als Austausch und Befruchtung zwischen Industrie und Künstler gedacht war. Die Ateliers bleiben aber scheinbar bestehen, Kim wirkte nicht sehr erschrocken über diese Entwicklungen.
Er lebt in Fiskars und hat seit diesem Jahr auch ein großes Atelier hier. Die Arbeiten, die hier entstehen transportiert er mit dem Auto nach Helsinki, um sie dort zu brennen.
Hammer! …oder? Ich bin völlig begeistert – vor allem von der Freiheit, wie er mit den Materialien umgeht. Daß er einer von den Wenigen ist, die es geschafft haben, daß er in zahlreichen Sammlungen und Museen vertreten ist und wirklich gute Preise für seine Stücke erzielt, wundert mich überhaupt nicht.
Auch seine Website ist absolut sehenswert:
13. Juni | 2016
Die Kooperative aus mittlerweile 121 Kunsthandwerkern, Künstlern und Designern in Fiskars veranstaltet jährlich eine große Sommerausstellung zu einem bestimmten Thema. In diesem Jahr findet die Ausstellung zum 20. Mal statt und zu diesem Jubiläum wurde das Thema „growth“ gewählt (…auch ein bißchen symbolisch auf das Wachstum der Künstlergemeinschaft anspielend).
Ich habe die Ausstellung heute besucht und war begeistert von den tollen Räumlichkeiten und dem wirklich hohen Niveau der ausgestellten Arbeiten:
Diese Arbeit (eigentlich ein gedeckter Tisch für 2 Personen) ist von der bildenden Künstlerin Anna Ulff, mit der ich die Ausstellung zusammen besucht habe. Sie spielt hier mit der Ablehnung, die man empfindet (in Bezug auf Haare im Essen) und dem dekorativen Element durch die Anordnung der Haare.
Dies ist der Beitrag zum Thema von Riitta, die ich Euch am 3. Juni vorgestellt hatte.
Dies ist nur ein Detail – das Bild ist gut vier Meter breit. Es handelt sich um echte Blütenblätter.
Die Arbeit von Camilla (aus meinem Beitrag vom 9. Juli). Der Bogen besteht aus einzelnen, mundgeblasenen Glaselementen und ist von innen beleuchtet.
Diese Instalation aus gerollten Papierbögen ist von meiner „Vorgängerin“ – Artist in Residence im Mai2016 (Namen versuche ich noch nachzuliefern).
Kuratorin der Ausstellung ist die Galeristin Katja Hagelstam aus Helsinki.
9. Juni | 2016
Heute stelle ich Euch Camilla Moberg vor: Sie lebt in Fiskars und hat ihre Galerie unweit von meinem „Artist in Residence“-Häuschen entfernt.
Sie ist Glas-Künstlerin und auch Industrie-Designerin. Zum arbeiten fährt sie in ein ca 2 Stunden entferntes „Glasstudio“, in dem man sich tageweise einmieten kann. Professionelle Glasbläser stehen den Künstlern hier zur Verfügung, denn viele Arbeitsschritte kann man bei diesem Handwerk nur zu zweit oder dritt ausführen – vor allem bei den ausgefallenen und teilweise recht großen Arbeiten von Camilla.
Sie verkauft ihre Arbeiten in ihrer „Sirius Gallery“ hier vor Ort und ist in vielen Galerien und Design-shops vertreten.
Ihre Homepage gefällt mir ausgesprochen gut: übersichtlich, modern und sogar dreisprachig
7. Juni | 2016
Auf der „Hauptstrasse“ hier im Dorf gibt es diverse kleine Shops mit Design-Produkten aller Art. Viele der Künstler vertreten sich hier selber oder haben sich mit mehreren zusammengeschlossen, um ihre Produkte zu verkaufen. Eine tolle Galerie der gesamten Kooperative ist der Onoma-shop.
http://www.onoma.org/en/shops.php
Hier kann man sich am besten einen Überblick verschaffen, was für Produkte in Fiskars hergestellt werden.
Wie Ihr seht, habe ich mich auch schon „reingeschmuggelt“.
Ansonsten bin ich überrascht, dass meine erste Woche hier schon vorbei ist.
Ich habe inzwischen auch schon ein bißchen gearbeitet. Natürlich habe ich hier keine eingerichtete Töpfer-Werkstatt und alles muss ein wenig improvisiert werden. Das größte Problem wird es sein, meine hergestellten Stücke zu brennen. Sämtliche Keramiker hier sind gerade sehr „busy“ – vermutlich wird Rita (s.u.) meine Rettung sein.
3.Juni | 2016
Heute möchte ich Euch Riitta Talonpoika vorstellen. Ich hatte sie schon im letzten Jahr kennengelernt, als ich mir Fiskars angeschaut hatte. Sie ist total nett, hatte mir sofort alle möglichen Kontakte hergestellt und Tips für meinen Aufenthalt in Helsinki gegeben.
Sie stellt ein fröhlich bemaltes und hoch gebranntes Steinzeuggeschirr her, außerdem gibt es eine Reihe von Arbeiten, die in einem Holzofen gebrannt werden und einige „freie“ Arbeiten – Objekte und Installationen.
Riitta hat ihre Werkstatt hier in Fiskars, außerdem ihren Laden, noch einen Laden, den sie mit drei anderen Künstlerinnen aus Fiskars betreibt, eine Ladenbeteiligung in Helsinki, wo sie einmal die Woche Dienst hat, sie beteiligt sich rege an landesweiten Ausstellungen und irgendwie wirkt sie trotz all diesen Aktivitäten völlig tiefenentspannt.
http://www.riittatalonpoika.fi
1.Juni | 2016
Den gesamten Juni 2016 „residiere“ ich in diesem Jahr in Fiskars/Finnland. Nach einer gelungenen und erfolgreichen Atelier- und Gartenausstellung („my secret garden“) habe ich meine 7 (mindestens!) Sachen gepackt und mich aufgemacht – Richtung Finnland. In dem kleinen Dorf Fiskars, wo ca 120 Künstler verschiedenster Gewerke leben und arbeiten, hatte ich mich im letzten Jahr auf ein „artist in residence“-Programm beworben und zum Jahresende und zu meiner großen Freude eine Zusage erhalten.
Die Hin- und Rückreise und die Verpflegung zahlt man selber, dafür bekommt man (für eine geringe Miete) eine Wohnung und ein Atelier gestellt, wo man leben und arbeiten kann.
Da ich einiges an Material (und auch ein bißchen Keramik) mitnehmen wollte, habe ich mich entschieden, mit meinem Bus zu fahren. Ca 500 km bis Travemünde und von dort aus mit der Fähre 30 Stunden nach Helsinki.
Blauer Himmel, schönstes Wetter – bei der Ankunft waren es 24° in Helsinki, was für Ende Mai hier sehr ungewöhnlich ist.
Nach einem sonnigen Tag und einer Übernachtung in Helsinki habe ich mich am 31. Mai aufgemacht nach Fiskars – total gespannt wie mein „Häuschen“ wohl aussieht und was mich im Juni erwartet. Mein neues Navi kennt sich bestens in Finnland aus und nach ca 80km (westlich von Helsinki) hatte ich mein Ziel erreicht:
In Deutschland ist die Firma Fiskars vor allem als Hersteller von Gartenwerkzeugen bekannt und vielleicht auch durch die Scheren mit dem typisch orangefarbenem Griff. Dieses Unternehmen wurde hier 1649 gegründet, hat ihren Sitz aber inzwischen in Helsinki.
Das Dorf ist heute vielleicht ein bißchen wie die finnische Version von Worpswede – neben den verschiedenen Ateliers gibt es hier ein Museum, diverse Ausstellungsflächen und ein paar kleine Shops mit tollen Produkten aus den verschiedenen Werkstätten – alles malerisch in die Landschaft integriert – zur Zeit blühen überall Lupinen und der Flieder.
Der rechte Teil dieses Hauses ist meine Wohnung, hinter dem unteren Tor verbirgt sich mein „Atelier“ (mit mindestens doppelt soviel Platz wie bei mir zu Hause in der Kölner Liebigstrasse). Alles ist perfekt ausgestattet und echt geschmackvoll eingerichtet. Sogar 2 Fahrräder gehören dazu.
Gestern bin ich angekommen, habe das Auto ausgeladen und mich „eingerichtet“, schon einige nette Menschen im Dorf kennengelernt und heute habe ich ein bißchen die Gegend erkundet. Noch ist es heiß und sonnig – zum Wochenende hin soll es schlechter werden.
Prost! …und liebe Grüße nach Köln und sonstwo hin! (…demnächst mehr)